4. November 2012

„Der Pate“ (1972, Francis Ford Coppola), „Der Pate – Teil II“ (1974, Francis Ford Coppola), „Der Pate – Teil III“ (1990, Francis Ford Coppola)

Es gibt wenige Filme, die ich so häufig gesehen habe, wie Francis Ford Coppolas drei Filme der „Pate“-Trilogie. Die ersten beiden Teile zählen zu meinen persönlichen Top 3 (neben Michael Manns „Heat“ (1995)). In meiner Jugend waren sie es wohl, die mein Interesse für den Film als Kunstform geweckt haben. Gleichzeitig habe ich sie in den unterschiedlichsten Situationen gesehen: auf Deutsch, im englischen Original, am Silvesterabend mit Kommentar des Regisseurs; den ersten Teil habe ich sogar am Vorabend meiner Hochzeit geschaut. Nach einem Sommer voller Bestenlisten und den daraus resultierenden Fragwürdigkeiten war ich nun gespannt, ob sich meine Wert- bzw. Einschätzung der beiden früheren Filme möglicherweise zum Schlechteren geändert haben könnte. Oder ob ich gar plötzlich mit Teil III mehr anfangen können würde! Immerhin haben sich meine Sehgewohnheiten in den letzten Jahren deutlich geändert. Konnte ich früher nur sagen „ein Film gefällt mir gut“ oder „ein Film gefällt mir schlecht“, habe ich es in den letzten Jahren mit meinen bescheidenen Mitteln doch zumindest versucht, analytisch an Filme heranzugehen. So kam es vor zwei Wochen zu einem Showdown zwischen mir und den drei „Pate“-Filmen. Und was soll ich sagen? „Der Pate“ und „Der Pate – Teil II“ haben wie zu erwarten war obsiegt. Teil III hingegen ist wenig überraschend stehend K.O. gegangen.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es noch Menschen gibt, die diese Filme noch nicht gesehen haben, ein kurzer Überblick darüber, worum es geht: Im ersten Teil lernen wir im Jahr 1945 den italo-amerikanischen Mafioso Vito Corleone (Marlon Brando) kennen, von Freunden wie Untergebenen ehrfurchtsvoll Pate genannt. Er ist das Oberhaupt einer der einflussreichen New Yorker Mafiafamilien, die uns in einer der großartigsten Anfangssequenzen der Filmgeschichte Person für Person vorgestellt wird. Da gibt es die gütige Mama Carmela (Morgana King); den jähzornigen und sexuell umtriebigen ältesten Sohn Sonny (James Caan); den gutherzigen aber etwas einfachen mittleren Sohn Fredo (John Cazale); den eben aus dem Krieg heimgekehrten jüngsten Sohn Michael (Al Pacino), der sich von den Machenschaften seiner Familie distanzieren möchte; seine blauäugige Freundin Kay Adams (Diane Keaton); die frischvermählte Tochter Connie (Talia Shire) und ihren Ehemann Carlo Rizzi (Gianni Russo); den Adoptivsohn Tom Hagen (Robert Duvall), Anwalt und Consigliere der Familie; die beiden Capos, den lebenslustigen Peter Clemenza (Richard S. Castellano) und den ruhigeren Sal Tessio (Abe Vigoda). Während sich die Handlung des Films entwickelt, erleben wir die Schicksalsschläge und die Umstände, die den eigentlich für eine Karriere außerhalb der Mafia vorgesehenen Michael zusehends in die Rolle des Nachfolgers drängen.

In Teil II hat Michael im Jahr 1958 im Bemühen um Legalität das Zentrum der Familie Corleone nach Nevada verlegt. Neue Handelnde sind die Capos Al Neri (Richard Bright), Rocco Lampone (Tom Rosqui) und Frank Pentangeli (Michael V. Gazzo) sowie der jüdische Gangster Hyman Roth (Lee Strasberg). Parallel zu Unternehmungen in Kuba am Vorabend der Revolution sind Rückblenden auf den Werdegang des jungen Vito (Robert De Niro) – teilweise genial – montiert.

Teil III zeigt einen gealterten Michael im Jahr 1979, der bemüht ist, seine Familie durch Geschäfte mit dem Vatikan reinzuwaschen. Neu treten seine erwachsenen Kinder Anthony (Franc D’Ambrosio) und Mary (Sofia Coppola), sein Anwalt B. J. Harrison (George Hamilton), sein alter Freund Don Altobello (Eli Wallach) und sein ungestümer Neffe Vincent Mancini (Andy Garcia) hinzu.


„Der Pate“ war nie als Trilogie angelegt, sondern eigentlich nur als Einzelfilm, wenngleich Teil II – von Paramount Pictures aufgrund des großen finanziellen und kritischen Erfolgs des ersten Teils initiiert – auch auf Elemente des Originalromans von Mario Puzo zurückgreift. Die Verzahnung dieser beiden Filme ist aber so gut gelungen, dass man mit Fug und Recht von einem Ganzen sprechen kann. Hingegen ist der ungeliebte dritte Teil, den Coppola 16 Jahre nach Teil II aus Geldnot zu drehen gezwungen war und dem er eigentlich einen anderen Titel geben wollte, ein Fremdkörper; eines seiner Probleme ist, dass er einen Abschluss der Saga sucht, der bereits mit Teil II vorgenommen wurde. Ich wollte ihm noch eine Chance geben, doch ich muss leider feststellen, dass der Film in meiner Gunst noch weiter gesunken ist. Ich möchte daher im noch Folgenden nicht mehr weiter auf ihn eingehen und meine Ausführungen auf die beiden früheren Teile beschränken.

Was mich – ganz subjektiv – am ersten Teil fasziniert ist seine Makellosigkeit. Obwohl mit fast drei Stunden durchaus kein kurzer Film, gibt es in ihm doch praktisch keine überflüssige Szene, keine unnötigen Längen. Jede Einstellung hat ihren Sinn, ebenso jeder gesprochene Satz, und mag er noch so trivial erscheinen. Mehr noch, aus fast jeder Szene gibt es ein Zitat, das in irgendeiner Weise Kultfaktor erlangt hat. Dabei geht es nicht nur darum, die Handlung voranzutreiben, sondern ein ausuferndes Sittenbild zu zeichnen. In diesem Universum hat jede noch so kleine Nebenfigur ihre Geschichte. Teil II ist zwar unbestreitbar ebenfalls ein Meisterwerk, es fehlt ihm aber meiner Meinung nach die Dichte des ersten Teils. Ein Disput unter Liebhabern ist ja die Frage, ob nun der erste oder der zweite Teil der bessere ist. Befürworter von Teil II verweisen meist auf dessen Struktur mit zwei unterschiedlichen Zeitebenen. Ich persönlich entscheide mich aber für den ersten Teil. 

Die Rolle Michaels bzw. seine Einschätzung hat in meinem Freundeskreis schon für heftige Diskussionen gesorgt. Unbestreitbar ist, dass er in eine Rolle gedrängt wird, die er nicht angestrebt hat. Aber es stellt sich doch die Frage, in wessen Interesse er handelt, sobald er an der Macht ist – in dem seiner Familie oder doch in seinem eigenen? Auffälligerweise sind, zumindest in meinem Umfeld, Frauen meist gnädiger mit Michael als Männer. Ich persönlich sehe in ihm einen reinen Egoisten, was in aber keineswegs uninteressanter erscheinen lässt. Die Frage deutet unabhängig davon aber bereits in Richtung des (abgesehen vom Essen) eigentlichen Themas der Filme: die Familie.

Trotz meiner geschilderten Präferenz für den ersten Teil findet sich meine absolute Lieblingsszene – und an großartigen Szenen herrscht wahrlich kein Mangel – in Teil II. Es ist die vorletzte Szene des Films, eine Rückblende in das Jahr 1941, also vor die Handlung des ersten Teils. In ihr wird uns die unglaubliche Tragik des noch bevorstehenden Schicksals der Corleones nochmals bewusst: Da sitzen sie alle um den Esszimmertisch, die Geschwister, und warten auf die Ankunft ihres Vaters. Michael erklärt zum Verdutzen der anderen, dass er sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hat, und es ist ausgerechnet Fredo, der ihn in seiner Entscheidung unterstützt. Und im Spannungsverhältnis von Familie und Individuen wird uns plötzlich klar, dass ihre Leben unzertrennbar miteinander verbunden sind, komme was wolle. „Kann ein Mann sich von seiner Familie trennen?“, fragt Michael irgendwann zuvor im Film seine Mutter. Ob er es will oder nicht, er kann es nicht.

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