24. Januar 2013

Dialog: Ein Nachtrag zu „The Hobbit: An Unexpected Journey“

Selten aber doch macht man die Erfahrung, dass das, was man ins Netz ungefragt hinausposaunt, tatsächlich auch gelesen wird. Noch ungewöhnlicher ist es aber, wenn man dann auch noch eine Reaktion erhält. Dies ist nun bei meinem Blogbeitrag zu „The Hobbit: An Unexpected Journey“ vom 8. Januar 2013 geschehen: Eine Leserin hat sich schriftlich an mich gewandt, um mit mir über einzelne Punkte meiner Rezension zu diskutieren. Da ich die Erfahrung sehr anregend fand, habe ich beschlossen, hier bei Trofis feinste Auslese eine neue Rubrik zu starten, den Dialog. Es ist klar, dass dies nur dann funktionieren wird, wenn sich auch tatsächlich Leute zu Wort melden, aber einen Versuch ist es wert. Schauen wir einmal, ich bin jedenfalls gespannt.

Hier nun der Dialog, den ich ab 9. Januar 2013 mit einer Leserin führen durfte:
LESERIN: Ich bin im Wesentlichen Deiner Meinung, vor allem in dem, was Du zu den drei Filmen aus einem (dünnen) Buch sagst, stimme ich Dir zu: Zwei Filme hätten auch gereicht, wenn es einer schon nicht getan hätte.
Zu dem, was Du über losely sagst, gebe ich Dir auch Recht, aber ich habe mir dazu noch etwas anderes überlegt: Schon als ich den „Hobbit“ (erneut, als „Vorbereitung“ auf den Film) gelesen habe, habe ich mir gedacht, dass es schwierig wird, aus diesem Buch einen runden Film, mit geschlossener, spannender Handlung zu machen. Gerade am „Hobbit“ gibt es meiner Meinung nach einige Dinge, die in einem Film nicht so dargestellt werden können bzw. nur ins Medium Buch passen. Außerdem finde ich, dass man bei der Lektüre des „Hobbit“ merkt, dass Tolkien den „Herrn der Ringe“ schon in irgendeiner Form im Kopf, also eine Ahnung oder eine Idee hatte – besonders was den „Nekromanten“ betrifft usw. – er diese Idee nur noch nicht ausformulieren konnte. Als ich dann den „Hobbit“ gesehen habe, habe ich mir zu Anfang auch gedacht, dass sich Jackson ganz schön etwas heraus genommen hat, die Handlung so zu erweitern (und das denke ich noch immer). Letztlich bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass die zusätzlich für den Film erfundene Rahmenhandlung (der Kern um die Reise usw. ist ja im Grunde nur kaum – oder erträglich – verändert worden) das ist, was sich Tolkien (vielleicht) gedacht hätte, wenn er den „Hobbit“ nach dem „Herrn der Ringe“ neu geschrieben hätte. „Der Hobbit“ wurde mit dem „Herrn der Ringe“ gewissermaßen schlüssig zusammengebunden. Nun ist es natürlich die Frage, ob sich ein Film so etwas herausnehmen darf. Falls die Antwort aber Ja ist, dann halte ich es jedenfalls für gelungen. (Und was diesen weißen, riesigen Ork anbelangt, der die Reisegesellschaft jagt: Na gut, den brauchte es eben, um eine spannende Handlung für den ersten Teil als eigenständigen Film zu finden ...).
Kostüme und Detailverliebtheit finde ich wie auch schon beim „Herrn der Ringe“ toll – ich hätte mir auch einen Film rein über Hobbingen ansehen können ;-)

TFA: Es freut mich, dass Du es auch so siehst. Das lustige ist ja, dass man/wir dazu neigt/neigen, Verfilmungen von Büchern, die wir mit Begeisterung (v.a. in unserer Jugend) gelesen haben, sehr kritisch zu betrachten, während uns bei Verfilmungen von Büchern, die wir nicht gelesen haben, alles egal ist. Ich war hier früher sehr viel skeptischer, aber inzwischen versuche ich Buch und Film stets als zwei verschiedene Dinge zu betrachten.
Ein Problem beim Jackson-„Hobbit“ ist nur, dass die Motive für die Änderungen so deutlich sind: Der weiße Ork soll es „spannender“ machen und mehr Verfolgungs- und Kampfszenen ermöglichen (irgendwo auf Twitter habe ich sinngemäß gelesen „Jackson kann sich immer noch nicht kurz fassen: 90 Minuten wandern, 90 Minuten kämpfen“); Galadriel und Saruman haben Auftritte, damit zwei Stars dem Film mehr Glanz verleihen; die Trolle werden nicht von Gandalf sondern von Bilbo überlistet, damit die Hauptfigur mehr Gewicht bekommt ... Aber noch einmal: Wenn man den Film nicht mit dem Buch in der Hand betrachtet, dann ist er gut.
Zur Verfilmbarkeit des Buchs: Ich stimme Dir zu, aber auch mit einer Ergänzung: Das Buch ist nun einmal schon fast 80 Jahre alt und zudem ein Kinderbuch. Dass die Ansprüche eines Fantasy-Publikums inzwischen höher sind, weshalb die Geschichte etwas peppiger gemacht werden muss, ist verständlich.
Zur Verknüpfung mit dem „Herrn der Ringe“: Du darfst natürlich nicht außer Acht lassen, dass wir heute stets die von Tolkien in den 1960ern überarbeitete Version des „Hobbit“ lesen, die ja gezielt dem „Herrn der Ringe“ angenähert wurde.

LESERIN: Buch und Film als zwei verschiedene Dinge zu betrachten, wie du sagst, finde ich auch sehr wichtig! Es sind nun mal zwei Medien, die nicht immer mit denselben Mitteln arbeiten können, um z. B. einen Charakter zu vermitteln. Darum fand ich es – um ein Beispiel von dir zu nehmen – auch nicht so schlimm, dass im „Hobbit“-Film Bilbo die Trolle überlistet. So kann man – wie das auch mit anderen Szenen geschehen ist – schnell erklären, wie Bilbo charakterlich ist, dass er von den Zwergen vielleicht zu Anfang unterschätzt wird und er sich dann zum Meisterdieb mausert usw. Das Buch kann das viel langsamer machen ... gewisse Änderungen finde ich also noch OK.
Geärgert hab ich mich vor allem, dass Jackson den Moment in dem Bilbo den Ring findet verändert hat – also dass er Bilbo sehen lässt, wie Gollum der Ring aus „der Tasche“ fällt. Ich fand im Buch die Idee gerade so nett, dass der mehr als unwahrscheinliche Fall eintritt, dass Bilbo in den kilometerlangen Gängen der Minen stolpert und mit der Hand genau auf den Ring fällt – das passte so schön zur der Ring sucht sich seinen Meister selbst-Idee ...
Eine Frage hätte ich noch: Was war für dich bis jetzt die beste Buchverfilmung (bei der du das Buch vorher kanntest)?

TFA: Das ist eine gute Frage, und ich muss gestehen: mir fallen gar nicht so viele Filme ein, bei denen ich das Buch bereits vorher gelesen hatte. Außer dem „Herrn der Ringe“ wohl nur noch „Das Parfum“ – guter Film übrigens. Theaterstücke zähle ich jetzt nicht, das ist etwas anderes. Es gibt natürlich viele Filme bei denen ich das Buch später gelesen habe und auch viele Bücher, deren Verfilmungen mir noch fehlen. Nicht immer muss ein Buch wirklich so viel besser sein als ein Film. Den Film „Der englische Patient“ liebe ich zum Beispiel, das Buch finde ich schlecht.

Jedenfalls ein interessantes Thema – vielleicht sollte ich dem einmal einen Blogbeitrag widmen.

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