29. Juli 2014

„Boyhood“ (2014, Richard Linklater)

Eines der ambitioniertesten Filmprojekte der vergangenen Jahre und definitiv ein Highlight zumindest dieses Kinojahres ist Richard Linklaters „Boyhood“, der über einen Zeitraum von zwölf Jahren entstanden ist. Erzählt wird die Geschichte des zunächst sechsjährigen Mason (Ellar Coltrane), seiner zwei Jahre älteren Schwester Samantha (Lorelei Linklater) und seiner geschiedenen Eltern Olivia (Patricia Arquette) und Mason Sr. (Ethan Hawke), und das nicht anhand großer Meilensteine sondern anhand der kleinen Nebensächlichkeiten des Lebens. Am Ende ist Mason 18, bezieht sein Zimmer am College und eröffnet damit den nächsten Abschnitt seines Lebens.

Linklaters jüngster Film ist keine Dokumentation im Stile von Michael Apteds „Up“-Reihe, sondern ein gescripteter Spielfilm. Wenngleich über die Jahre hinweg tatsächliche Ereignisse und Entwicklungen durchaus in die Geschichte eingeflossen sind, so hat Linklater doch beteuert, dass das Drehbuch bereits vor Beginn der Dreharbeiten weitestgehend feststand. Trotzdem hat „Boyhood“ etwas ungemein Dokumentarisches an sich, und dies hängt vor allem mit einem ganz wesentlichen Aspekt zusammen: der natürlichen physischen Alterung der Darsteller. Mit Hauptdarsteller Coltrane gelang Linklater ein unglaublicher Glücksgriff – wer hätte bei einem Achtjährigen vorausahnen können, dass er sich nicht nur für die gesamte Laufzeit verpflichten sondern auch schauspielerisch unglaublich weiterentwickeln würde. Doch auch an den Erwachsenen gehen die Jahre nicht spurlos vorüber: Die Lebenserfahrung, die Arquette und Hawke mit Mitte Vierzig Arquette und Hawke mit Anfang Dreißig voraushaben, sieht man ihnen ins Gesicht geschrieben. Waren die beiden in den 1990er-Jahren nicht gefragte Schauspieler, deren Marktwert (zu Unrecht) inzwischen gesunken sein dürfte?

Richard Linklater gelingt mit diesem Film ein Geniestreich, und man fragt sich inzwischen, warum einen das überhaupt noch überrascht. Nicht nur verdanken wir ihm mit der „Before…“-Reihe – übrigens eine weitere Langzeitstudie mit Ethan Hawke – drei der überzeugendsten Dialogfilme über Beziehungen. Alle seine Spielfilme der letzten Jahre („A Scanner Darkly“ „Me and Orson Welles“, „Bernie“, „Before Midnight“) können auch samt und sonders als hervorragend bezeichnet werden.

„Boyhood“ ist möglicherweise der ultimative Film über das Erwachsenwerden – jedenfalls aber ein absolutes Muss!

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