22. Februar 2015

Oscar-Verleihung 2015: Die Nominierungen

Heute werden die diesjährigen Academy Awards vergeben. Anders als in den Vorjahren möchte ich bei der Diskussion der diesjährigen Oscarnominierungen aber etwas anders vorgehen: Ich äußere meine Tipps und Wünsche nicht mehr in Listenform – weshalb auch ein Abhaken und Auswerten der Ergebnisse nicht mehr möglich sein wird – und behandle außerdem nicht mehr alle Kategorien. Dafür ist nun auch ein wenig Platz für einige allgemeinere Gedanken.

Von den nominierten Filmen gesehen habe ich „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ (Bester Film, insgesamt neun Nominierungen), „Grand Budapest Hotel“ (Bester Film, insgesamt neun Nominierungen), „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ (Bester Film, insgesamt acht Nominierungen), „Boyhood“ (Bester Film, insgesamt sechs Nominierungen), „Interstellar“ (insgesamt fünf Nominierungen), „Foxcatcher“ (insgesamt fünf Nominierungen), „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ (insgesamt zwei Nominierungen), „Ida“ (insgesamt zwei Nominierungen) und „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ (eine Nominierung).

An dieser Stelle habe ich schon öfters eine häufig in Kennerkreisen vertretene Ansicht wiedergegeben: Der Zweite Weltkrieg, die NS-Zeit und der Holocaust als Themen ebnen den Weg zu den Oscars. Dies scheint auch heuer wieder zu gelten, denn anders sind die acht Nominierungen für „The Imitation Game“ – der wohlgemerkt ein guter Film ist, aber auch nicht mehr – nicht zu erklären. Auch „Ida“, nominiert als bester fremdsprachiger Film und für die beste Kamera – und zudem ein hervorragender Film – fällt in diese Kategorie. Doch auch „Grand Budapest Hotel“ ließe sich in gewisser Weise hierzu zählen, wenngleich der Film in einer fiktionalisierten Zeitebene spielt. Auch Filme über den langen und andauernden Kampf der Afroamerikaner für ihre Rechte haben meist gute Oscar(nominierungs)chancen. So war eigentlich von Anfang an klar, dass „Selma“ zumindest als Bester Film nominiert werden würde. Nichtsdestotrotz handelt es sich insgesamt bei den diesjährigen Nominierten um einen eigentlich recht bunten Haufen. Mit jeweils neun Nominierungen führen mit „Birdman“ und „Grand Budapest Hotel“ zwei Komödien mit tragischem Beigeschmack die Gesamtliste an. Als Bester Film nominiert sind außerdem mehrere Genrefilme: ein Kriegsfilm („American Sniper“), ein biographischer Liebesfilm („Die Entdeckung der Unendlichkeit“), ein Musikerfilm („Whiplash“). Ganz anders wiederum ist „Boyhood“, der eines meiner Highlights des letzten Jahres war und in der Hauptkategorie unbedingt gewinnen sollte – und sei es nur, weil sich jeder mit den Protagonisten identifizieren kann. Auch die Auszeichnung für die Beste Regie sollte mit Richard Linklater an „Boyhood“ gehen für die Energie, die er zwölf Jahre lang diesem Projekt gewidmet hat. Doch natürlich wäre der Oscar endlich auch für Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“) oder Alejandro González Iñárritu („Birdman“) verdient. Alle drei haben übrigens auch in der Kategorie Bestes Originaldrehbuch Chancen – was auch viel über ihre Ganzheitlichkeit als Filmmacher aussagt. Bennett Miller hat für „Foxcatcher“ wohl keine ernstzunehmenden Gewinnaussichten, wiewohl der Film sehr gut ist.

In den Schauspielkategorien würde ich meinen, dass Michael Keaton wohl jedenfalls für die Rolle seines Lebens in „Birdman“ als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet werden wird. Anerkennend muss festgehalten werden, dass Bradley Cooper („American Sniper“) schon das dritte Jahr in Folge nominiert worden ist. Steve Carell („Foxcatcher“) beeindruckte mit einer völlig neuen Facette, hat aber wie Benedict Cumberbatch („The Imitation Game“) und Eddie Redmayne („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) keine wirkliche Chance.

Bei den Damen hat Julianne Moore für ihre Rolle in „Still Alice“, für die sie auch den Golden Globe gewonnen hat, die besten Karten als Beste Hauptdarstellerin. Marion Cotillard („Zwei Tage, eine Nacht“), Felicity Jones („Die Entdeckung der Unendlichkeit“), Rosamund Pike („Gone Girl“) und Reese Witherspoon („Der große Trip – Wild“) dürften hier wohl nur Statistinnenrollen spielen.

Die Kategorie Bester Nebendarsteller ist meiner Meinung nach traditionell die stärkste Schauspielkategorie: Altmeister Robert Duvall („Der Richter – Recht oder Ehre“), Ethan Hawke („Boyhood“), Edward Norton („Birdman“), Mark Ruffalo („Foxcatcher“), J. K. Simmons („Whiplash“) – da fällt die Wahl wirklich schwer.

In der Kategorie Beste Nebendarstellerin dürfte die Situation ähnlich sein wie bei den Hauptdarstellerinnen. Der Oscar dürfte – hoch verdient – an Patricia Arquette für „Boyhood“ gehen, Laura Dern („Der große Trip – Wild“), Keira Knightley („The Imitation Game“), Emma Stone („Birdman“) und Meryl Streep („Into the Woods“) können sich wenigstens über die Nominierung freuen.

Über das Beste Originaldrehbuch habe ich bereits ein paar Worte verloren, hier kann ich gar nichts abschätzen. In der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch würde ich die Auszeichnung Paul Thomas Anderson für „Inherent Vice“ wünschen – immerhin ist er sonst bei den Nominierungen leider leer ausgegangen. Von den Nominierten in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film habe ich lediglich den polnischen Beitrag „Ida“ gesehen, der 2014 auch den Europäischen Filmpreis gewonnen hat. Der Film wäre jedenfalls ein hochverdienter Sieger. Für das Beste Szenenbild sind „Grand Budapest Hotel“, „The Imitation Game“, „Interstellar“, „Into the Woods“ und „Mr. Turner – Meister des Lichts“ nominiert; die Auszeichnung sollte für den unglaublichen Ideenreichtum und die Detailverliebtheit an „Grand Budapest Hotel“ gehen.

Dass „Ida“ als fremdsprachiger Film auch in der Kategorie Beste Kamera nominiert ist, ist schon eine kleine (verdiente) Sensation. Die besten Chancen würde ich jedoch Robert Yeoman für „Grand Budapest Hotel“ attestieren – jeder, der den Film gesehen hat, und wenn er noch so wenig davon versteht, spricht über diese Kameraarbeit. Für Yeoman wäre es außerdem eine Anerkennung der hervorragenden Leistungen, die er als Langzeitkollaborateur von Wes Anderson in der Vergangenheit vollbracht hat. Auch die Auszeichnung für das Beste Kostümdesign dürfte an „Grand Budapest Hotel“ gehen.

Von den in der Kategorie Bester Dokumentarfilm Nominierten habe ich keinen gesehen, doch dürfte aufgrund der politischen Aktualität und Brisanz „Citizenfour“ über den NSA-Whistleblower Edward Snowden das Rennen machen – wenn sich denn die Academy traut. Bester Schnitt könnte an „Boyhood“ gehen, Bestes Make-Up und beste Frisuren an „Foxcatcher“ für die Verwandlung von Steve Carell.

In der Kategorie Beste Filmmusik sind zwei Dauerabonnenten auf Nominierungen vertreten: Alexandre Desplat für „Grand Budapest Hotel“ und „The Imitation Game“ sowie Hans Zimmer für „Interstellar“. Alle diese drei Scores sind hervorragend und zählen tatsächlich zu jenen, die mir bereits im Kino besonders auffielen. Am eigentümlichsten und auch am eingängigsten ist jedoch Desplats Musik für „Grand Budapest Hotel“, der nun endlich seinen ersten Oscar gewinnen sollte.

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